Illokution und Perlokution: Was wir mit Sprache tun und wie wir damit die Welt verändern
Begrüßt Sie jemand im Flur, ist das eine Aufforderung zum Handeln. Mögliche Anschlusshandlungen sind: Sie können wegschauen und den Gruß bewusst überhören und übersehen - was wohl nicht der gewünschten Reaktion entspricht. Sie können den Gruß aber auch erwidern. Dabei müssen Sie sich entscheiden zwischen mehreren gesellschaftlich akzeptierten Formen des Gegengrußes. Gehen Sie mit einem 𝘔𝘰𝘳𝘨𝘦𝘯 und sachlichem Ausdruck auf Distanz oder sagen Sie lächelnd 𝘩𝘢𝘭𝘭𝘰?
Ab Min. 0:44. Was immer Sie tun in einer solchen Situation, Sie definieren mit dem Gegengruß die Beziehung zwischen der grüßenden Person und Ihnen. Mit Sprache verändern Sie die kleine Welt einer entstehenden Zweierbeziehung Wort um Wort. Das gilt auch im größeren Rahmen. Ein Beitrag auf Sozialen Medien kann einen Shitstorm auslösen und die halbe Welt gegen Sie aufbringen - oder viral gehen und Sie ins Rampenlicht der Öffentlichkeit katapultieren. Und eine Bitte kann, wird ihr entsprochen, zu einem angenehmeren Leben führen.
Ab Min. 1:23. „Mir ist kalt!“ - Sagen Sie diese Worte in einem Gruppengespräch, wird die Person, die nah am Fester sitzt, das Fenster schließen. Sie haben Sprache genutzt, um andere dazu zu bringen, etwas zu tun, das Ihnen hilft. Mit allem, was wir sagen und was andere aufgreifen, verändern wir soziale Beziehungen, wie beim Beispiel des Grußes, oder unsere materielle Umwelt, wie beim Beispiel des Fensters. Sprachgebrauch zeigt Wirkung. Besonders deutlich wird dies in Reden von Politiker*innen, die mit ihren Worten ganze Staaten umstimmen.
Ab Min. 2:05. Der Sprache wohnt also sozusagen Magie inne. Worte sind Taten. Diese Erfahrung der Menschheit findet sich, verdichtet, im Begriff des Zauberspruchs wieder. Zaubersprüche prägen Märchen, als eine mächtige Form der Weltgestaltung durch Sprache. Die Zauberin sagt ihren Spruch - und schon verändert sich die Welt nach ihrem Willen. Über das alltägliche Zaubern mit Sprache werden immer wieder populärwissenschaftliche Bücher geschrieben, die Wissen mit sensationallen Erlebnissen mischen.
Ab Min. 2:46. Allerdings löst Sprache nicht immer genau das aus, was wir mit unseren Worten beabsichtigt haben. Die Wissenschaft sagt das so: Was die Lokution (also der Akt des Sprechens von Wörtern) tatsächlich bewirkt, ist die Perlokution (also die durch den Sprachgebrauch eintretende Wirkung). Und die entspricht nicht immer der Illokution (also der beabsichtigten Wirkung). Das Verhältnis von Illokution und Perlokution (also von beabsichtigter und tatsächlich eingetretener Wirkung) zeigt den Erfolg eines Kommunikationsversuchs.
Ab Min. 3:31. Deutlich wird das, wenn ein freundlich gemeinter Gruß zu einer Abwehrreaktion führt: 𝘏𝘦𝘺 𝘮𝘢𝘤𝘩 𝘮𝘪 𝘯𝘪𝘥 𝘢 𝘮𝘢𝘯𝘯!!! Oder umgekehrt, wenn ein 𝘞𝘪𝘦 𝘨𝘦𝘩𝘵’𝘴 eine längliche Darlegung der aktuellen Leidensgeschichte des Gegenübers auslöst. Wenn wir an Versprechen erinnert werden, die wir damals nicht ganz so wörtlich meinten. Oder wenn Worte Wunder wirken und wir, zu unserer eigenen Überraschung, feststellen, dass am Anfang unserer guten Beziehung ein einfaches 𝘏𝘢𝘭𝘭𝘰 von Herzen steht, gesprochen zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
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Dieses Video ist Teil von Language Matters, einer Reihe von Videos zur Angewandten Linguistik in Sprachberufen. Dazu gibts auch ein Buch mit kompaktem Wissen, eine Webseite mit Übungen und Lösungen sowie einen MOOC-Kurs: language-matters.education
Text und Stimme: Daniel Perrin
Grafik und Animation: Lilian Krauthammer
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